MEDIA: ANZEIGER BEZIRK AFFOLTERN – Bezirk Affoltern als Pionier für Mentoring-Projekt

Der folgende Artikel wurde in der Printausgabe (März 2020) im Anzeiger  Bezirk Affoltern am Albis publiziert.

ZUSAMMENARBEIT BEZIRK-SOZIALDIENST UND GLOCAL ROOTS

Seit April 2019 werden sechs junge Auszubildende mit Fluchthintergrund im Bezirk Affoltern im Arbeitsintegrationsprojekt Glocal Steps unterstützt. Die Projektleitenden Falk Daubner und Carina Bianchi von Glocal Roots haben sich den Fragen des «Anzeigers» gestellt.

«Anzeiger»: Wer und was ist Glocal Roots?

Falk Daubner: Glocal Roots ist eine junge Flüchtlingsorganisation mit Sitz in Zürich. Wir entwickeln Strukturen, Projekte und Netzwerke, die es Menschen mit Fluchthintergrund erlauben, autonom und selbstbestimmt zu leben un sich mit ihren Fähigkeiten in ihrer neuen Gesellschaft aktiv einzubringen. Wir arbeiten in der Schweiz und im Ausland – z.B. mit unserem Projekt «We are One» auf Samos in Griechenland. Bei allen Projekten ist uns eine aktivistischer Ansatz wichtig, ohne viel Bürokratie und unter Einbezug von Freiwilligen vor Ort. 

Und was ist Glocal Steps?

Clarina Bianchi: Das ist ein Arbeitsintegrationsprojekt für junge Auszubildende mit Fluchthintergrund. Laut Staatssekretariat für Migration beträgt die Erwerbsquote von Menschen mit Fluchthintergrund in den ersten vier bis fünf Jahren nach der Einreise 20 bis 30 Prozent, erst nach 7 Jahren erreicht sie zirka 50 Prozent. Gleichzeitig besteht in der Schweiz jedoch ein Bedarf an Auszubildenden; Anfang 2019 belief sich die Zahl der angebotenen Lehrstellen auf 81 340, im April 2019 waren davon immer noch 26583 unbesetzt. Hier möchten wir ansetzten, indem wir Wege suchen, um den jungen Auszubildenden den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Lösungen müssen hierfür sowohl bei den Auszubildenden, als auch bei den potenziellen Arbeitsgebenden ansetzten. 

Wie sehen der Inhalt und das Ziel von Glocal Steps aus?

Bianchi: Es geht darum, junge Auszubildende mit Fluchthintergrund dabei zu unterstützen, eine Lehrstelle zu finden und eine berufliche Grundausbildung zu machen, indem ihnen ein ansässiger, freiwilliger Coach zur Seite gestellt wird. Später sollen die Auszubildenden durch individuelle Nachhilfe auch im Berfusschulalltag unterstützt werden. Gleichzeitig wollen wir Arbeitgebende in relevanten Branchen im Projektgebiet sensibilisieren, damit diese verstärkt bereit sind, einen Menschen mit Fluchthintergrund einzustellen. 

«Die Coaches erleichtern den Zugang zur Berufs- und Arbeitswelt.»

Das heisst?

Daubner: Die Coaches sind im gesamten Bewerbungsprozess unterstützend da. Es geht hauptsächlich darum, gemeinsam mit ihrem Gecoachten Unterlagen zu erstellen und sich auf Ausbildungsstellen zu bewerben. Dabei hilft es den jungen Auszubildenden sehr, Zugang zu lokalen Netzwerken zu bekommen. 

Bianchi: Nach Start der Ausbildung übernimmt ein Schulcoach, um im schulischen Alltag zu unterstützen. Glocal Roots hilft dabei Coaches und Auszubildende mit regelmälssig stattfindenden Workshops bzw. Trainings zu Themen wie Bewerbungsunterlagen oder Interviews. Darüber hinaus wollen wir Aufklärungsarbeit bei Arbeitgebenden leisten. 

Im Bezirk Affoltern gibt es ein solches Coachingprojekts, seit wann?

Bianchi: Wir sind gerade dabei, die erste Pilotphase mit dem Sozialdienst Bezirk Affoltern erfolgreich abzuschliessen, nachdem wir seit April 2019 sechs junge Auszubildende betreuen. 

Wie ist der Stand des Projektes?

Daubner: Die jetzigen Auszubildenden werden bald eine Ausbildung anfangen. Zusätzlich starten neue Auszubildende noch diesen Monat im Programm. Wir suchen daher noch freiwillige Personen als Bewerbung und /oder Schulcoaches. Ebenso sind ein verstärktes Interesse und eine gesteigerte Bereitschaft zur Mitwirkung von Arbeitgebenden sehr erwünscht. 

Wie sehen die konkreten Aufgaben von Coaches aus?

Bianchi: Coaches begleiten bei regelmässigen Treffen die jungen Menschen mit Fluchthintergrund auf der Lehrstellensuche. Sie erleichtern ihnen den Zugang zur Berufs- und Arbeitswelt, ermuntern, begleiten und fördern sie. Mit der Vermittlung ihres Know-hows und dem Öffnen des eigenen Netzwerks verhelfen sie den Auszubildenden zum erfolgreichen Übertritt ins Arbeitsleben. Bei durchschnittlich wöchentlich stattfindenden Treffen werden also Bewerbungsunterlagen erstellt oder später Nachhilfe gegeben. 

Gibt es diesbezüglich konkrete Beispiele im Bezirk Affoltern?

Daubner: Zurzeit werden Auszubildende aus verschiedenen Gemeinen im Bezirk Affoltern von Coaches aus dem Säuliamt, Zürich und Winterthur betreut. In der letzten Phase sind hierbei sehr produktive Bekanntschaften und zum Teil sogar Freundschaften entstanden. 

Wer kann Coach werden?

Bianchi: Wir suchen lebens- und berufserfahrene Menschen ab Mitte 20, die bereit sind, für mindestens zehn Monate eine solche Aufgabe zu übernehmen. Coaches verfügen idealerweise über ein breites berufliches und persönliches Kontaktnetz, haben soziale Kompetenzen, Zeitressourcen und möchten als Vorbild für ihre Auszubildenden wirken. 

 

Coaches und Arbeitgeber gesucht

 «Die Suche nach einem Arbeits- oder Ausbildungsplatz kann für Flüchtlinge eine grosse Herausforderung sein», sagt Michelle Högger vom Sozialdienst Bezirk Affoltern und ergänzt: «Eine Ausbildung zu erhalten und eine Stelle zu finden ist jedoch entscheidend für eine erfolgreiche berufliche und soziale Integration.» Die Bereichsleiterin Asyl ist daher sehr glücklich über die funktionierende Zusammenarbeit mit der Zürcher Flüchtlingsorganisation Glocal Roots sowie dem Verlauf des vor elf Monaten gemeinsam gestarteten Pilotprojektes zur Arbeitsintegration für junge Auszubildende mit Fluchthintergrund. 
Dieses nutzt Mentoring als Mittel zur Integration, wobei eine erfahrene Person (Mentor) eine weniger erfahrene (Mentee) darin unterstützt, wichtige berufliche Ziele zu erreichen. Dazu gibt der Mentor persönliche Erfahrungen weiter, vermittelt Streiten, berät ihn und gibt ihm Feedback. Der auf partnerschaftlicher Basis stattfindende Austausch ist dabei zielfokussiert. Der Pilotversuch geht demnächst zu Ende. Das Fazit lässt sich bereits als positive erahnen, womit der zweite Glocal Step beginnen kann. «Dazu können sich interessierte Coaches sowie bereitwillige Arbeitgebende melden. Gerne werden ihnen da auch allföllige Fragen beantwortet» fügt Michelle Högger an. (kb.)

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Urs E. Kneubühl

Journalist

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